Die gestrige Session zur Frage „Zahlenfetischismus und Meßbarkeit von Online Communities“ (der Marketing-Aspekt kam ja nicht mehr zur Sprache) auf dem BarCamp Hannover hat mir aufgezeigt, daß die Verwendung des Community-Begriffs primär marketingstrategischer Natur ist und kaum Einblick gewährt in das, was sich in den sozialen Netzwerken tatsächlich abspielt.
Gleichwohl wurde auch offenkundig, daß diese Situation unter wettbewerblichen Gesichtspunkten zwar nachvollziehbar, im Grunde aber unbefriedigend ist. Denn selbst wenn man die 90/9/1-Regel anwendet, die irgendwie immer stimmt: Auch das ist nur eine Pimaldaumenregel, die per se keinerlei Validität verspricht.
Zudem verkraften gerade Märkte nur ein gewisses Maß an Unsicherheit und Intransparenz aufgrund einer strukturell bedingten Informationsasymmetrie zwischen Anbietern und Nachfragern. Auf Dauer gestellt drohen hier erhebliche Effizienzeinbußen, Risikoeffekte, Vertrauensverluste, wenn nicht gar ein Kollaps des Marktes, mithin die Systemkatastrophe.
Als Frage und Zielgröße zeichnete sich in der Diskussion ab, ob Unternehmen im Online-Sektor in ihrer Selbstdarstellung nicht vielleicht versuchen sollten, von solchen Phantasiezahlen wie der Anzahl formal registrierter Mitglieder oder Webpage-Besucher zusehends Abstand zu nehmen, weil solche Zahlen nicht aussagekräftig genug sind, um die Qualität der Kundschaft angemessen zu bewerten, auch wenn Venture Capitalists gerade solche, möglichst hohe Zahlen immer wieder hören wollen, um sie der Unternehmensbewertung und vor allem ihrer Investitionsentscheidung zugrunde zu legen.
Zunächst mag ein solcher Schritt zu mehr Transparenz, zu mehr Ehrlichkeit zwar geschäftsschädigend erscheinen, sofern die Konkurrenz nicht mitzieht. Richtig kommuniziert, könnte eine solche Corporate Governance-Maßnahme mit der Zeit aber durchaus auch Wettbewerbsvorteile bringen.
Vor diesem Hintergrund wäre zu fragen, ob bei der Bestimmung des Mitglieder-Potentials nicht stärker auf zertifizierte Verfahren zurückgegriffen werden sollte, wie sie in der Printmedienbranche zur Bestimmung von Leserreichweiten und Anzeigenpreisen üblich sind. Freilich setzt das eine freiwillige Selbstbeschränkung voraus.
Und es wäre auch nicht ausreichend, nur zwischen Premium- und Normalmitgliedern oder schlichten Wiederkaufquoten („repeated buying“) zu unterscheiden, zumindest nicht, wenn dem Community-Begriff noch irgendeine substanzielle Bedeutung zukommen soll. Für diesen Fall wäre dann aber bedenkenswert, etwa auf die Involvement-Forschung zurückzugreifen, die hier seit vielen Jahren zuverlässige Instrumente liefert.
Der nächste Schritt könnte demnach sein, sich über ein Meßverfahren zu verständigen, das geeignet ist, derart Qualitatives wie Communities in Quantitatives zu überführen, so wie es das Anliegen von Michael Ellensohn war.
Mitstreiter war übrigens noch Markus Burgdorf.
(Ein ganz interessantes Dokument zu diesem Thema ist der „Online Community Metrics“-Report, ein „Best Practices Survey“ aus den USA vom März 2007, ferner der Blogeintrag „Online Community Metrics“ von Bill Johnson.)
[…] Auch Kai-Uwe Hellmann hat zu unserer Community-Session gebloggt. Veröffentlicht von Michael Ellensohn Abgelegt unter Web2.0, Events, […]
[…] Dr. Kai-Uwe Hellmann im Blog Commercial Communities […]
[…] zu alternativen Messgrößen einholt und in anonymisierter Form verteilt – schon allein, um die Systemkatastrophe zu verhindern – offenbar habe ich die interessanteste Session vom Barcamp Hannover […]
[…] Onlinecommunities hat auf dem BarCamp in Hannover stattgefunden (vgl. dazu die Beiträge von Kai-Uwe Hellmann, Michael Ellensohn). Ich hatte auf diesem Blog ebenfalls etwas über diese Thema geschrieben […]
[…] von Onlinecommunities hat auf dem BarCamp in Hannover stattgefunden (vgl. dazu die Beiträge von Kai-Uwe Hellmann, Michael Ellensohn). Ich war leider nicht dort, hatte jedoch auf diesem Blog ebenfalls etwas über […]
[…] ich im ersten Teil kurz das Ergebnis unserer Session “Zahlenfetischismus und Communities” auf dem BarCamp Hannover zusammengefasst […]